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Visual Marketing & Retail Design
Veröffentlicht von Storefitting.com am 31.05.2023 10:11
Ich war ein bisschen überrascht, als ich das Programm der Fachtagung vom Verband für Visuelles Marketing & Merchandising (vmm) bekommen habe.
Denn die 45. INTERNATIONAL CONFERENCE for Visual Marketing & Retail Design versprach alles andere als Gestaltungstipps für Schaufenster, Wandabwicklung und Mittelraumpräsentationen.
45. INTERNATIONAL CONFERENCE for Visual Marketing & Retail; Foto: Storefitting.com
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Jetzt kostenlos registrieren!Die Themen bezogen sich vielmehr auf die immer stärker werdende Bedeutung digitaler Elemente für Point of Sale und den Retail allgemein. Die erstklassige Auswahl an Speakern aus den Bereichen Handel, Industrie, Forschung und Consulting versprach spannende Einblicke in die wachsende Bedeutung von NFT, KI, dem Metaverse und den kreativen Einflüssen der Kunst auf das aktuelle Handeln von Retail und Industrie.
Christoph Stelzer, Präsident des vmm und Managing Director der DFROST Retail Identity sollte bei der Eröffnung der Fachtagung recht behalten mit der Feststellung: „Nur mit stetiger Veränderung bleibt man als Unternehmen in der Poleposition.“
Bereits die Keynote am ersten Abend der Veranstaltung brachte mit Mathias Haas auch bekannt als der „Trendbarometer“ für die Themen Nachhaltigkeit, Gemischt-Wege-Handel und KI eine interessante Sichtweise auf bereits gängige Themen die jedoch meist nur als inhaltlose Buzzwords in den „Small-Talk-Raum“ geworfen werden.
Mathias Haas der „Trendbarometer“; Foto: Storefitting.com
Hass ist davon überzeugt, dass der Begriff „Digitalisierung“ überholt ist und sieht die KI als bedeutenderes Thema für Handel, Industrie und die Agenturlandschaft. Dabei gehe es nicht darum, sich vor KI zu schützen, sondern künstliche Intelligenz als Hilfsmittel zu sehen. So wie nach und nach auch Software wie Word, Excel und Co. den Arbeitsalltag zunehmend erleichtert hätten, werde auch KI dies tun. Nur wesentlich schneller und umfassender.
Einen beeindruckenden „Deep Dive“ gewährte dann Carina Buhlert, unter anderem Creative Director der Grohe AG. Ihr Vortrag machte auf schonungslose Weise klar, wie wichtig es ist, disruptiv mit eingefahrenen Denkmustern umzugehen. Und zwar am Beispiel des eigenen Weges mit Grohe, die sich als Unternehmensgruppe von „Water technology“ zu dem Slogan bzw. dem Mindset „Health through Water“ entwickelt hätten.
Carina Buhlert - Creative Director der Grohe AG; Foto: Storefitting.com
Ein langer Prozess mit großem kommunikativem Aufwand. Vom 5.000 m² großen Messestand auf der ISA 2019 in Frankfurt bis hin zum aktuellen „Grohe SPA Wellness Center“, das Partnern und Kunden in einer neuen Art des „Showroomings“ Produkte und Dienstleistungen nahebringt.
Grohe habe die Covid-19 Pandemie nutzen können, um mit der Plattform GroheX (grohe-x.com) einen Aufbruch ins Unbekannte zu wagen. Mit viel Energie und Knowhow seien digitale Begegnungen für Kollegen, Partner, Dienstleister und Kunden geschaffen worden, die auch nach der Pandemie ein wichtiger Baustein der gesamten Grohe Experience bleiben sollen.
Mit „Zurück in die Zukunft 4.0“ zeigte Sabine Krieg, unter anderem Dozentin an der HSD Düsseldorf, das sich bei zukunftsweisenden Konzepten durchaus ein Blick in die Vergangenheit lohnen kann. Unter dem Motto „Früher war nicht alles schlecht – Dinge bewahren“ reiste Sabine Krieg mit dem Plenum in die frühen 00er Jahre und zeigte auf, welche Trends von damals heute teilweise wieder als Innovationen verkauft werden.
Sabine Krieg - Dozentin an der HSD Düsseldorf
Von Flagship-Store, Pop-Up-Store, über die Food markt Renaissance, Celebrity-Collections, Markthallen Konzepte, Retail-Gastronomie-Fusionen, kuratierte Retail-Flächen, den Einflüssen von Facebook, Amazon und Apple auf das Konsumenten Verhalten, bis hin zu ungewöhnlichen Künstler-Kooperationen beispielsweise von Hornbach und Ai Weiwei.
Provokant fragt Krieg nach der viel beschworenen Krise und weist auf zahlreiche Chancen hin, die vorwärts gerichtete Unternehmen bereits ergriffen und sich mutig mit bekannten, neuen und kombinierten Konzepten den aktuellen Herausforderungen stellten.
Marilyn Repp, stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand-Digital Zentrums Handel stellte schließlich die Frage, „Was wird vom Hype um das Metaverse im Retail bleiben?“. Repp sagt, „die Digitalisierung wird wahrscheinlich nie wieder so langsam sein wie heute.“ Dadurch bestehe jetzt die Chance „sich in verschiedenen Projekten auszuprobieren und auch aus Fehlern zu lernen“.
Marilyn Repp, stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand-Digital
Generell fordert sie mehr Mut von Unternehmen und wünscht sich die „Institutionalisierung von Innovationen“. Ihr Credo: „Wir brauchen eine neue Fehlerkultur, die es erlaubt, aus Misserfolgen zu lernen und diese als Chance zu begreifen.“ Krisen würden zur gefühlten Normalität. Ein Abwarten von Inflation, Krieg, Klimakriese und Energiekosten koste nur Zeit und dürfe Handel und Industrie nicht lähmen weiterhin an Innovationen zu arbeiten.
Bezogen auf das Metaverse prognostiziert Repp die Verschmelzung der analogen und digitalen Welten. Das digitale „Wallet“ werde dabei zum Schlüssel, um sich auf unterschiedlichen App´s und Webseiten zu bewegen. Unternehmen könnten dabei von digitalen Lifestyle Produkten profitieren, wie bereits das erfolgreiche Beispiel der limitierten „Gucci Spiked Basketball Bag“ zeige. Die, zur Erinnerung, nur digital als NFT für ihren digitalen Avatar nutzbar ist.
Die Handelskette Kaufland nutze dagegen das beliebte Online-Spiel „Animal Crossing“ mit einer eigenen Version, um sich bei einem jüngeren Publikum zu etablieren. Dabei habe der LEH´ler nicht nur Kunden, sondern auch die Rekrutierung potenzieller neuer Mitarbeiter im Visier.
Damit Unternehmen mit digitalen Produkten erfolgreich sind, müssen auch diese künstlich verknappt werden. Gerade in der digitalen Welt, in der alles auf Knopfdruck unendlich reproduziert werden kann, sind limitierte Editionen ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Und genau dies macht das Web3, das nun durch Technologien wie NTF und Blockchain die Möglichkeit bietet „digitale Inhalte zu besitzen“ zu den bisherigen Versionen des Internet Web1 (lesen - Informationen konsumieren) und Web2 (lesen + schreiben – sich austauschen, kommentieren, kommunizieren) besonders interessant.
KI soll in naher Zukunft jedoch auch dabei helfen, Retouren beim Onlineversand zu reduzieren. Das Start-Up spotsize bietet hierfür eine Technologie, durch die Verbraucher mit ihrem Handy oder Tablet die eigenen Füße scannen können, um so die perfekte Schuhgröße zu ermitteln. Aber auch für die Industrie gibt es spannende KI gestützte Software. Das Startup yoon.ai bietet ein Tool, das es Designern ermöglicht, mit geringen Kapazitäten und in kurzer Zeit neue Designs zu entwickeln. Hierfür werden neben den eigenen Daten auch Informationen von Mitbewerbern und Google-Trends analysiert und durch generative KI ein individuelles Design für neue Kollektionen erstellt.
NFT war auch das zentrale Thema von Thanh Dao, Managing Director & Partner der Jung von Matt NERD´s. Sein Credo: „Web3 & Gamification sind wie Makkaroni und Käse! Allein gut, aber unglaublich zusammen.“ Für jeden der das Thema NFT bisher nur als Buzzword wahrgenommen hat, der kam aus dem Staunen nicht heraus. Wie volatil der Wert Kryptowährung sein kann, ist vermutlich den meisten bekannt. Da erscheint es dann auch nur auf den ersten Blick absurd, wie sich die Werte von NFT´s binnen Stunden verändern können.
Thanh Dao, Managing Director & Partner der Jung von Matt NERD´s
Als plakatives Beispiel zeigte Thanh Dao die Entwicklung der vielen bereits bekannten „Bored Apes“. Die auch als BAYC (Bored Ape Yacht Club) bekannten Cartoon-Affen wurden 2021 von Yuga Labs erfunden. Die Bilder zeigen, wie der Name verspricht, Cartoons von gelangweilten Affenköpfen mit unterschiedlichen Accessoires und Styles. Berühmt geworden, sind sie vor allem als Profilbild zahlreicher internationaler Celebritys. Der teuerste Bored Ape wurde 2021 für 3,4 Millionen US-Dollar verkauft - nicht vergessen, es handelt sich „lediglich“ um ein digitales NFT das pro Bild zur Markteinführung ab ca. 180 € zu kaufen war.
Aber nicht alle Besitzer sind bei ihren NFT´s auf einen spekulativen Gewinn aus. Es geht ihnen viel mehr darum, Mitglied eines exklusiven Clubs zu sein und im weitesten Sinne dazu zu gehören. Und genau das macht NFT´s für den Handel so interessant. Denn die emotionale Bindung ermöglicht auch ein großes Potential für eine langfristige Kundenbindung. Zugriff auf Limitierte Kollektionen oder Eintritt auf Fashion-Shows und exclusive Partys sind nur Beispiele die internationale Marken bereits heute mit NFT´s nutzen.
Das Metaverse, zu dem NFT´s ebenfalls exklusiven Eintritt gewähren können, beschreibt Dao als einen Planeten in einer Galaxie. Anders als viele glauben, gibt es jedoch bereits viele weitere Planeten, die eine beindruckende Anzahl an Usern vorweisen können. Und diese kommen häufig aus dem Bereich des Gamings und heißen FORTNITE, ROBLOX World of WarCraft oder auch grand theft auto. So wurde FORTNITE bereits 2022 von über 500 Millionen Accounts weltweit genutzt. Für Firmen also eine extrem reizvolle Plattform im Hinblick auf Produktplatzierungen, Events und nicht zuletzt Informationen über potenzielle Kunden.
Um den Bogen zu schließen, hält Thanh Dao das „Meta- bzw. Universe“ nur in Verbindung mit der entsprechenden Technologie für wirklich relevant. Diese bezeichnet er passend zu seiner Metapher als die „Sonnen im Universum“. Mit der ebenso einfachen wie stimmigen These „no suns, no life“ sieht Dao Blockchain und künstliche Intelligenz als den Treibstoff, um die Planeten und deren Ökosystem mit Energie und Power aufzuladen. Fazit: Unternehmen, die es verstehen, diese „neuen“ Technologien zu nutzen und damit Mehrwerte schaffen, Umsätze steigern und langfristige Kundenbindung generieren, werden auch in der Zukunft erfolgreich sein.
Corinna Dahlhaus, Head of Marketing & Kommunikation bei Deiters präsentierte dann den Use-Case ihres NFT-Projekts beim mittelständischen Retailer Deiters. Mit aktuell 30 Filialen in Deutschland sieht sich der Kostümhändler für Karneval und Partyoutfits Deiters GmbH mit Sitz in Frechen als Marktführer in diesem Bereich.
Corinna Dahlhaus, Head of Marketing & Kommunikation bei Deiters
Das Ziel des ehrgeizigen NFT-Projekts war es vor allem, eine stärkere Kundenbindung zu schaffen und neue Zielgruppen für das Unternehmen zu gewinnen. Hier hatte Deiters besonders männliche Kunden im Verzier, da diese meist technologisch interessierter sind als die bereits deutlich stärker vertretene weibliche Kundengruppe.
Deiters entwickelte gemeinsam mit einer Agentur aus Hamburg ein NFT Konzept das sich stark an den im NFT Business bekannten Bored Apes und dem damit verbundenen BAYC orientiert. Die Idee, einen eigenen Board of Bored Apes Club zu gründen. Leichter gesagt als getan, wie Corinna Dahlhaus erfrischend ehrlich berichtet.
Denn nicht nur die komplexe Struktur, die NFT´s durch beispielsweise ihre Blockchain Technologie mit sich bringen, ist besonders bei der Initialisierung eines solchen Projekts eine Herausforderung. Gerade auch auf Verbraucherseite sei in diesem Bereich noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, berichtet Dahlhaus. Dies beginne schon mit dem notwendigen Wallet, das der Besitzer eines NFT einrichten müsse und dies neben einem Bankkonto auch mit einigen persönlichen Daten anzureichern habe. Das sei in der „Datenschutz-Nation“ Deutschland eine ganz besondere Aufgabe, die viel Vertrauen und Kommunikation von den ausführenden Marken notwendig mache.
Doch der Aufwand lohnt sich laut Dahlhaus schnell. Denn die Nähe und Bindung die zu bestehenden und neuen Kundengruppen geschaffen werde, sei für „Marketeers“ Gold wert und biete völlig neue Einblicke in die Bedürfnisse der sich schnell aufbauenden Community.
Roger Stämpfli, Creative Director und Partner der Agentur AROMA aus Zürich, spricht von der Inspiration und der Kraft, die Kunst für unterschiedliche Retail-Formate bieten kann. Es geht um das „Vitamin Kreativ“. Wie können Räume gestaltet und erlebt werden, ohne langweilig zu sein oder zu überfordern.
Roger Stämpfli, Creative Director und Partner der Agentur AROMA
Als Methode empfiehlt Stämpfli mit einem Augenzwinkern: „Kopieren was geht.“ Und führt als Beispiel den von Tanaka Tatsuya gestalteten Japan Pavillon von der Expo 2020 in Dubai an. Hieraus sei die Idee entstanden, Miniaturwelten für die Dekoration von Schaufenstern zu entwickeln und die Kunden so auf eine faszinierende Entdeckungsreise zu schicken.
Auch die Nutzung von KI spielt bei AROMA eine immer größere Rolle. „Digitale und reale Räume werden immer stärker verschmelzen und ein Gesamterlebnis für Kunden darstellen“, prophezeit Roger Stämpfli. Für den Cretaiv Director gibt es dabei vier Bereiche, die es zu nutzen und gestalten gilt.
Das sind zunächst FARBEN, die besonders auf Messen, Pop-Up-Stores und Flagshipstores für einen klassischen WOW-Effekt zum Einsatz kommen. Inspiriert von der sich stetig verändernden, schmelzenden Wachsfiguren Ausstellung von Urs Fischer in Paris oder dem ehemaligen Club Bunker in Berlin weist Stämpfli auch auf die Kraft von Grau- und Weiß-Tönen in Kombination mit klug gesetzten Farbakzenten hin. Ein guter KONTEXT der besonders für das Metavers, KI, VR und weitere digitale Inhalte extrem wichtig ist.
Denn eine Online-Weinprobe ist für Roger Stämpfli ein bisschen wie „Sonnenbaden im Taucheranzug – man schwitzt auch, aber es ist eben doch nicht dasselbe“. REDUKTION in der Präsentation könne besonders bei farbgewaltigen Kollektionen oder detailverliebten Produkten eine höhere Wertigkeit schaffen. Als Beispiel dient hier die Marke Freitag, die sich mit bunten Taschen und Accessoires aus alten LWK-Planen in ihren Stores bewusst für eine sehr ruhige und reduzierte Präsentation entschieden hat, um den einzelnen Produkten die Chance zur richtigen Wirkung zu geben.
Die vierte Säule sind für Stämpfli VISONÄRE, die Konventionen brechen, neues wagen und den oft beschwerlicheren Weg wählen um wirklich Neues zu schaffen. Als perfektes Retail-Beispiel nennt der Brand-Experte die Brillenmarke GENTLE MONSTER, die durch ihre teils extremen Präsentationen eine enge Verbindung zur Zeitgenössischen Kunst pflegt.
In einem Punkt waren sich alle Experten auf der Fachtagung in Weil am Rhein aber einig: Um die neue Form der KI basierten Digitalisierung zu begreifen und sie zu nutzen, bleibt uns allen in naher Zukunft nicht mehr annähernd so viel Zeit, wie viele meinen.
Der klare Appel an Handel und Industrie lautet demnach: „Ausprobieren, machen, mutig sein, sich selbst hinterfragen und Erfahrung sammeln. Die Institutionalisierung von Innovationen und der Umgang mit Erfolg und Misserfolg von KI-Strategien wird ein entscheidender Faktor für die Entwicklung von Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel sein.“
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